BerlinInfo Nr. 39 vom 25.10.2019
Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal behält man ja lieber nicht Recht. Mir ging das so nach meinem Text zum Brexit, den ich in der letzten BerlinInfo geschrieben hatte. Es kam, wie befürchtet, alles wieder ganz anders. Ein Drama mit so vielen Akten habe ich auch schon länger nicht mehr erlebt. Das Thema wird uns wohl noch weitere Wochen beschäftigen – und die ersten Analysten weisen bereits darauf hin, dass selbst nach einem Austrittsvertrag zwischen der EU und Großbritannien die Sache noch lange nicht ausgestanden ist. Denn dann müssen beide Seiten einen Handelsvertrag ausarbeiten. Das könnte fast noch schwieriger werden als der Austrittsvertrag und muss in kurzer Zeit erledigt werden, weil sonst Ende 2020 erneut ein Szenario eintreten könnte, in dem der Handel zwischen beiden Seiten in einen vertragslosen Zustand übergeht. Das würde einem Brexit ohne Deal dann schon wieder nahe kommen…
Ein schwieriges Szenario im Inland könnte uns dagegen nach der Landtagswahl in Thüringen an diesem Sonntag erwarten. Die Meinungsumfragen deuten darauf hin, dass Linkspartei und AfD dort gemeinsam über 50% der Mandate im Landtag erobern könnten. Damit wäre nach bisheriger Lesart keine Mehrheit für eine Regierungskoalition möglich. Eine Eigenheit der Thüringer Landesverfassung würde es dem amtierenden Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow von der Linkspartei, dann sogar ermöglichen, bis zu fünf Jahre ohne parlamentarische Mehrheit weiter zu regieren. Die aktuelle rot-rot-grüne Koalition in Erfurt hat für dieses Szenario auch schon vorgebaut und, entgegen aller Gepflogenheiten, gleich einen Doppelhaushalt für die Jahre 2019 und 2020 mit ihrer bisherigen Parlamentsmehrheit verabschiedet.
Sollte dieses Szenario eintreten, möchte ich nicht in der Haut meiner Parteikollegen in Thüringen stecken. Die hätten dann die Wahl zwischen einer ganzen Reihe gleichsam unattraktiver Möglichkeiten. Aber sie werden bis zum Sonntag dafür kämpfen, dass doch noch eine Mehrheit für eine Regierung jenseits extremer Parteien zu Stande kommt. Wer hätte vor einiger Zeit gedacht, dass eine Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP wie das geringste Übel aussehen könnte? Der Wahlabend wird also spannend werden. Dass das auch Einfluss auf die Zukunft der Großen Koalition in Berlin haben könnte, ist kein ganz abwegiger Gedanke. Genauso wie die Veröffentlichung des SPD Mitgliedervotums zum Parteivorsitz morgen. Obwohl es da eher wie beim Brexit ist: wahrscheinlich wird es da noch eine Stichwahl geben und somit eine Verlängerung.
Ihre Mechthild Heil
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